Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi. (2. Korinther 5,10)
„Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, sagt man oft. Aber stimmt das auch? Sind es nicht gerade jene Themen, die vertuscht und totgeschwiegen werden, die besonders belasten? Familiengeheimnisse zum Beispiel. Schmerzliche Wahrheiten, die oft über Generationen verschwiegen werden, aber trotzdem immer im Raum stehen.
Ein Suizid, Fehlgeburten, Missbrauch, Sucht- oder psychische Erkrankungen – kaum jemand möchte darüber reden, aber trotzdem schwingen diese Erfahrungen immer mit. Das kann nicht nur für die Geheimnisträger selbst, sondern auch für deren Nächste belastend sein, denn instinktiv spüren sie, dass etwas nicht stimmt, ohne die Chance zu haben, diese Gefühle einzuordnen.
Kinder, die mit solchen Geheimnissen aufwachsen, lernen, dass gewisse Dinge so schlimm sind, dass man sie verheimlichen muss. Dass eine Lebensgeschichte nur dann wertvoll, gut und richtig ist, wenn sie ohne bittere Wahrheiten daherkommt. Und das erzeugt Druck und führt zu Scham und Schuld. Denn es gibt keine einzige Lebensgeschichte, die ohne dunkle Flecken auskommt. Und es gibt nichts, dass durch Verschweigen ungeschehen gemacht werden könnte.
„Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi“, heißt der Wochenspruch aus dem 2. Korintherbrief. In diesem Satz schwingt Trost wie Warnung mit. Denn Gott kennt alle unsere Geheimnisse, ihm bleibt nichts verborgen. Das Gute, aber auch das weniger Gute, die Highlights, aber auch die dunklen Seiten unseres Lebens bleiben niemals unentdeckt. Nichts lässt sich für immer vertuschen, spätestens vor dem Richterstuhl Christi werden wir mit allem konfrontiert.
Christinnen und Christen vertrauen darauf, dass Christus ein gnädiger Richter ist. Sein Richterspruch zielt niemals auf Rache oder Strafe, sondern auf Aussöhnung, Gerechtigkeit und Frieden. Er nimmt uns immer wieder als seine Kinder an, wenn wir bitten: „Vergib uns unsere Schuld …“ Deshalb dürfen und müssen wir nichts vertuschen. Weder vor Gott noch vor unseren Nächsten.
Ein gesegnetes Wochenende und eine gute Woche wünscht Ihnen
Pfarrer Achim Gerber